Wie funktioniert Freediving?

Freediving – also das Tauchen in die Tiefe ohne Atemgerät – basiert auf einem komplexen Zusammenspiel aus Atmung, Physiologie, mentaler Kontrolle und Technik. Um zu verstehen, wie Freediving funktioniert, lohnt sich ein Blick auf die biologischen Mechanismen des menschlichen Körpers, die Trainingseinflüsse und die Techniken, mit denen Freediver*innen ihre Leistungsfähigkeit steigern. Wir erklären dir alle Grundlagen verständlich und detailliert: von der Atemphysiologie über den Druckausgleich bis hin zu Reflexen, die uns Menschen überhaupt erst in die Lage versetzen, unter Wasser minutenlang ohne Luft auszukommen.

Die Grundidee: Tauchen nur mit einem Atemzug

Beim Freediving verzichtet man auf künstliche Atemgeräte. Stattdessen nimmt man an der Oberfläche einen letzten Atemzug und nutzt Sauerstoffreserven in Lunge, Blut und Muskeln. Das Ziel ist, möglichst effizient mit diesen Reserven zu wirtschaften und gleichzeitig körperlichen Stress zu minimieren.

Der Schlüssel liegt darin, den Sauerstoffverbrauch zu senken, CO₂-Anstieg bewusst auszuhalten und sich mental wie körperlich in einen Zustand maximaler Entspannung zu bringen.

Physiologische Grundlagen des Freediving: Wie funktioniert Freediving im Körper?

Freediving ist möglich, weil der menschliche Körper über erstaunliche Anpassungen verfügt. Viele davon stammen aus unserer evolutionären Vergangenheit als landlebende Säugetiere mit einem ehemals semi-aquatischen Lebensstil – vergleichbar mit Robben oder Walen, nur weniger ausgeprägt.

Im Kern spielen drei Faktoren eine Rolle:

  • Der Mammalische Tauchreflex 

    ein automatischer Schutzmechanismus

  • Atemgas-Physiologie

    Sauerstoff & CO₂

  • Druckphysik

    Hydrostatischer Druck, Partialdrücke & Lungenvolumen

Der Sauerstoffhaushalt (O₂) – wie lange reicht ein Atemzug?

Der Körper speichert Sauerstoff an verschiedenen Orten:

  • Lunge: ca. 5–6 Liter Luft bei maximaler Einatmung, davon 21 % Sauerstoff
  • Blut: durch Hämoglobin gebunden
  • Muskeln: durch Myoglobin gespeichert

Beim Abtauchen sinkt der O₂-Verbrauch deutlich, wenn der Körper entspannt ist. Untrainierte Menschen schaffen oft 30–60 Sekunden Apnoe. Trainierte Freediver*innen können mehrere Minuten unter Wasser bleiben – Weltrekorde liegen bei über 10 Minuten (Static Apnea).

Entscheidend ist, wie effizient der Körper Sauerstoff nutzt und wie gleichmäßig er ihn verteilt.

Kohlendioxid (CO₂) – der eigentliche Auslöser des Atemreizes

Viele glauben, dass Sauerstoffmangel das Gefühl hervorruft, wieder atmen zu müssen. Tatsächlich ist jedoch CO₂ der dominierende Faktor.

Wenn der CO₂-Gehalt steigt, wird der Atemreiz stärker. Freediver*innen trainieren deshalb, diesen Reiz mental zu kontrollieren und physiologisch zu verschieben. CO₂-Toleranz ist einer der wichtigsten Trainingsaspekte im Freediving.

Der Mammalische Tauchreflex – entscheidend für das Überleben unter Wasser

Der „Mammalian Dive Reflex“ ist ein angeborener Mechanismus, der bei allen Säugetieren existiert. Er wird ausgelöst, sobald das Gesicht mit Wasser in Kontakt kommt.

Er umfasst mehrere Reaktionen:

1. Bradykardie – der Puls verlangsamt sich

Der Herzschlag sinkt oft um 10–40 %, bei trainierten Freedivern noch mehr.
→ O₂-Verbrauch sinkt deutlich

2. Vasokonstriktion – Blut wird zu zentralen Organen umgeleitet

Weniger Durchblutung in Armen und Beinen, mehr für Herz, Gehirn, Lunge.
→ Schutz lebenswichtiger Funktionen

3. Blutshift – Schutzmechanismus in der Tiefe

Ab ca. 20–30 m Tiefe verschiebt sich Blut in die Lunge, um deren Kollaps zu verhindern.
→ ermöglicht Tiefen bis über 100 m

4. Milza-Kontraktion

Speichert rote Blutkörperchen und gibt sie unter Stress frei.
→ mehr Sauerstofftransport

Diese reflexartigen Reaktionen machen Freediving erst möglich – sie sind die „eingebaute Sicherheitsreserve“ unseres Körpers.

Druckphysik: Was passiert mit dem Körper in der Tiefe?

Pro 10 Meter Tiefe verdoppelt sich der Druck, welcher auf den Organismus wirkt. Dadurch:

  • Wird der Druckausgleich schwieriger
  • Verringert sich das Lungenvolumen (Boyle-Mariotte-Gesetz)
  • Steigt die Gasdichte
  • Nimmt der Auftrieb ab (Neutral Buoyancy Zone)

Druckausgleich (Equalization) – entscheidend für jedes Abtauchen

Damit Trommelfell, Nasennebenhöhlen und Lunge nicht beschädigt werden, müssen Freediver*innen aktiv Druck ausgleichen. Diese Techniken sind besonders relevant:

  • Valsalva

    Ungeeignet für tieferes Freediving; zu ineffizient

  • Frenzel

    Standardtechnik im Freediving, man nutzt Zunge & Rachenraum statt des Brustkorbs

  • Advanced Equalization: Mouthfill

    Ab ~30 Metern nötig, Freediver speichert Luft im Mundraum, um Druck auch bei bereits stark komprimierten Lungen ausgleichen zu können

Wie funktioniert Freediving technisch?

Neben der Physiologie bestimmen Technik und mentale Ruhe, wie effizient Freediving ist.

Atemtechniken & Vorbereitung

Vor jedem Tauchgang folgt eine Routine:

  • Ruhephase an der Oberfläche
  • Entspannungsatmung
  • Finaler Atemzug

Hyperventilation wird im modernen Freediving strikt vermieden, da sie zu Blackouts führen kann.

Abtauchtechnik (Duck Dive)

Ein sauberer Duck Dive sorgt für:

  • kontrollierte Flossenbewegung
  • minimale Energieverschwendung
  • schnellen Übergang in die Tiefe
  • stabile Körperposition

Die Rolle der Entspannung

Mentale Ruhe ist DER entscheidende Faktor.

Entspannung sorgt für:

  • niedrigeren Puls
  • geringere Muskelaktivität
  • bessere CO₂-Toleranz
  • klare, ruhige Bewegungen
  • bessere Konzentration beim Druckausgleich

Profis sagen: „Freediving is 80% mind, 20% body.“

Effiziente Fortbewegung

Freediving nutzt ökonomische Bewegung:

  • gleichmäßige, ruhige Kick-Zyklen
  • gestreckter Körper
  • hydrodynamische Position
  • keine unnötigen Armbewegungen

Je besser die Technik, desto weniger Sauerstoffverbrauch.

Wie funktionieren unterschiedliche Freediving-Disziplinen?

Statisch (STA)

Das reine Luftanhalten am Wasser.
→ Fokus auf Entspannung, CO₂-Toleranz und psychische Kontrolle.

Dynamisch (DYN / DNF)

Streckentauchen im Pool – mit oder ohne Flossen.
→ Maximale Effizienz in der Bewegung.

Constant Weight (CWT / CNF)

Die olympische Königsdisziplin des Freediving.
→ Tieftauchen am Seil mit festen Gewichten; präzise Equalization nötig.

Free Immersion (FIM)

Ziehen am Seil ohne Flossen.
→ besonders gut für Equalization-Training.